"Die Sache mit dem SCHIMMEL" ein Interview mit dem Schimmelexperte Jürgen Jörges auch "Schimmel Schimanski" genannt.

Wir züchten uns den Pilzbefall selbst heran, sagt der Schimmelexperte Jürgen Jörges.
Was unser Lebensstil damit zu tun hat, warum Kaffee Schimmel im Wohnzimmer auslösen kann und wie oft wir wirklich lüften sollten, verrät er im Interview

Wir machen Schimmel zu unserem Mitbewohner. Denn häufig liegt es an unserem Lebensstil, dass sich die Pilze so wohl bei uns fühlen. Da hilft es auch nicht, dreimal täglich zu lüften, um die Feuchtigkeit in unserer Wohnung zu reduzieren. Was der renommierte Schimmelexperte Jürgen Jörges empfiehlt, um den Pilzbefall vorzubeugen, lesen Sie hier im Interview.

 

Woher kommt der Schimmel?

Er ist ein fester Bestandteil unserer Umwelt, denn er ist überall auf der Welt vorhanden. Momentan auch gerade bei Ihnen in der Innenraumluft und auch in der Außenluft. Wir können also nicht vermeiden, dass es Schimmel gibt. Das wäre auch zu kurz gedacht, denn Schimmel hat nicht nur diese negativen Eigenschaften, dass er irgendwo als schwarzer Fleck in der Wohnung sichtbar ist, sondern er besitzt auch eine Aufgabe in unserer Natur. Er sorgt dafür, dass so ziemlich alles verrottet, was nicht mehr gebraucht wird. Schimmel ist sozusagen die Müllpolizei unserer Umwelt.

 

Und wie kommt die Müllpolizei in mein Badezimmer?

Weil wir verlernt haben wie richtiges Wohnen geht. Unsere Häuser kommen damit nicht mehr zurecht. Heute ist ein bis zweimal duschen pro Person am Tag normal. Vor der Arbeit abends nach dem Sport …..Das heißt , wir produzieren in unseren Wohnungen unter Umständen das 7- bis 14-Fache an Luftfeuchtigkeit im Vergleich zu früher. Wir lüften aber nicht häufiger.

 

Viele Deutsche haben kein Fenster im Bad, wie sollen die Lüften?

Dann sollte man nach dem Duschen die Badezimmertür sowie die Fenster im angrenzenden Zimmer öffnen. Auf diese Weise wird für den nötigen Luftaustausch gesorgt. Und bitte nicht die nassen Handtücher im Bad zum Trocknen aufhängen! Damit holen Sie sich wieder die Feuchtigkeit rein. Es müsste eigentlich ein Lüften nach dem Lüften geben.Zusätzlich nach dem Duschen die Fliesen trocknen.

 

 

Was ist mit den anderen Wohnräumen, was machen wir da falsch?

Zunächst einmal trocknen wir Wäsche in der Wohnung. Meine Oma wäre gar nicht auf die Idee gekommen, das zu tun. Getrocknet wurde entweder draußen oder auf dem Dachboden. Dann stehen in vielen Wohnungen Sousvide-Kocher, Dampfkocher und Dampfbügelautomaten. Und es kommt noch dazu, dass wir uns viel mehr in der Wohnung aufhalten. Wir gehe zum Sport nicht mal mehr raus. Das heißt, wir laufen auf Laufbändern oder Trimmgeräten, während wir Fernsehen gucken. Auch das belastet wieder unsere Luftfeuchtigkeit. Gleichzeitig tun wir nichts, um diese Feuchtigkeit nach draußen abzuführen. Das gilt besonders jetzt, wo viele im Homeoffice arbeiten. Da müsste eigentlich einmal pro Stunden stoßgelüftet werden, damit die Luft vernünftig ausgetauscht wird.

Wie hoch darf die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung sein?

Das kommt auf mehrere Faktoren an. Wenn 40 bis 60 Prozent Luftfeuchte in Ordnung sein sollen, frage ich dann: „Bei welcher Temperatur denn?“ Wenn ich in einem Altbau wohne und 60 Prozent Luftfeuchte bei 24 Grad habe, dann ist das eine hundertprozentige Garantie für Schimmelbefall, denn an kalten Bauteiloberflächen kann sich Kondenswasser bilden, das ein perfekter Nährboden für Schimmel ist. Denn es gilt : je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Bei 20 Grad Raumtemperatur sollte die Feuchtigkeit also bei 50 Prozent liegen. Und darauf achten viele nicht.

Aber nur weil es feucht ist, entsteht ja nicht sofort Schimmel.
Wo kommen die Sporen her?

Etwa aus dem Mülleimer. Dort werfen wir Teebeutel, Kaffeefilter und so weiter hinein. Der steht dann oft neben der Spüle, wo es warm ist. Der Schimmel braucht etwa 48 Stunden zum Wachsen. Wenn wir nicht jeden Tag den Müll rausbringen, haben wir eine hervorragende Schimmelbrutstätte. Die Sporen, die sich im Mülleimer bilden, verteilen wir in der ganzen Wohnung durch das häufige Öffnen und Schließen des Mülleimers. Das bedeutet, dass wir etwa den Schimmel, der sich auf dem Kaffeesatz gebildet hat, mit einem Mal an unserer Wohnzimmerwand wiederfinden.

Welche Art Schimmel ist für unsere Gesundheit gefährlich?

Es gibt etwa 150.000 Schimmelpilz-Arten, die einen Namen abbekommen haben, und ungefähr noch mal genauso viele, die keinen Namen haben. Im Schimmelpilz-Leitfaden des Umweltbundesamtes steht, dass Schimmelpilze toxisch wirken können, es aber nicht müssen. Wir wissen, dass es unsere Gesundheit beeinträchtigen kann., wenn wir uns dem länger aussetzen. Und weil wir nicht wissen, wann ein Schimmelpilzbefall jetzt giftig wird oder eine Allergie hervorruft, gilt das Vorsorgeprinzip. Das bedeutet: Schimmelpilze haben in unseren Wohnungen nichts zu suchen.

Kann man Schimmelbefall selbst behandeln?

Ich empfehle, in der Apotheke Alkohol zum Desinfizieren zu kaufen. Die betroffene Stelle damit einsprühen und dann die Oberfläche feucht abwischen. Mieter sollten selbst keine Flecken melden. Sie könne aber Befall, der etwa die Größe einer Handfläche hat, bedenkenlos selbst entfernen.

 

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